Neu-Anspach – Herrn von Bödefeld geht es gut. Er steht auf einer Koppel im hessischen Neu-Anspach und knabbert am Gras, neben ihm futtert die kleine Schimmelstute Fienchen. «Die beiden sind wie ein altes Ehepaar», erzählt Jessica Schütz, die Besitzerin der Shetlandponys.
Sie hat die Kleinen vor sechs Jahren aus einem Tierheim geholt. Bei einem Weihnachtsmarkt in dem Heim hatte sie die beiden gesehen und aus Mitleid kurz darauf für 600 Euro gekauft. Seitdem arbeiten die betagten Ponys manchmal in der Reitschule ihrer Besitzerin, kleine Reitschüler putzen und reiten sie. Von der Vergangenheit der Ponys weiß Schütz nur wenig. «Sie kamen aus einer Art Massentierhaltung», ist die einzige Information, die sie hat.
Es gibt in Deutschland mehrere Tierschutzvereine und Organisationen, die sich Pferden annehmen, die von ihren Eigentümern nicht mehr gehalten werden wollen oder können. «Da steckt immer ein tragisches Schicksal dahinter», meint Petra Teegen von der
Pferdeklappe im schleswig-holsteinischen Norderbrarup. Die Pferdebesitzer seien zum Beispiel verarmt oder schwer krank. Auch von den Ordnungsämtern erhält die Pferdeklappe Tiere, die Besitzern weggenommen wurden.
Die Pferdeklappe nimmt Tiere bis zum 20. Lebensjahr auf, die keine schweren chronische Krankheiten haben. Die Vierbeiner werden auf zwei Höfen und weiteren Pflegestellen untergebracht – im ersten Halbjahr 2016 waren es bereits mehr als 100 Tiere. Sie werden an Interessenten zu einem sehr geringen Preis vermittelt – meist sind es zwischen 300 und 350 Euro. Ein Reitpferd kostet sonst normalerweise mindestens einen vierstelligen Betrag. «Wir wollen nicht Geld, sondern einen guten Platz», formuliert es Teegen. Allerdings dürften die Interessenten das Pferd nicht probereiten. Dies sei aus Versicherungsgründen nicht möglich.
Die meisten Pferde haben ein Manko wie Allergien oder Arthrose. Manche wurden noch nie geritten, andere haben dabei schlechte Erfahrungen gemacht oder sind psychisch angeschlagen. «Deutlich höher als die Anschaffungskosten sind auf jeden Fall die Folgekosten», gibt Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund in Bonn zu bedenken. Er empfiehlt, einen Tierarzt zum Kauf mitzunehmen. Dieser kann die künftigen Pferdebesitzer darüber informieren, welche Kosten für eine ärztliche Behandlung auf sie zukommen könnten. Diese gehen bei den großen Tieren schnell in den vierstelligen Bereich. Aus dem vermeintlichen Schnäppchen kann ein teurer Pflegefall werden.
Eine Alternative für Menschen mit geringem Einkommen, die aus finanziellen Gründen den reguläre Kaufpreis eines Pferdes scheuen, ist die Aufnahme eines solchen Tieres also nicht. Auch Reitern, die sportliche Ziele haben, ist Vorsicht angeraten. «Bei den meisten steht im Vordergrund, dass sie helfen wollen», berichtet Teegen. Geeignet sind Menschen mit reichlich Pferdeerfahrung und dem Bewusstsein, dass sie sich unter Umständen ein Problempferd in den Stall holen. Die Pferdeklappe betreibt auch eine Internetseite, auf der Eigentümer ihre Tiere direkt anbieten können. Ein Handicap haben auch dort die meisten Pferde.
Bei Veronika Kitz aus Neu-Anspach war es Zufall. Sie erfuhr von ihrem Schmied von dem Schicksal der Welsh-Mix-Ponystute Prinzessin Maja, die ganz alleine lebte. Für Pferde als Herdentiere ist so ein Leben eine Qual. Die erfahrene Pferdehalterin nahm Prinzessin Maja zu sich, die erste Zeit war nicht einfach. Das Pony hatte Angst vor anderen Pferden, mittlerweile lebt es aber glücklich und zufrieden in der kleinen Herde. «Ein Pferd für Anfänger ist sie definitiv nicht», sagt Kitz, die auch ein Shetlandpony vor dem Schlachter rettete.
Wer aus Mitleid ein Pferd zu sich nehmen will, damit es nicht zum Schlachter kommt, sollte sich genau informieren – auch im Interesse des Tieres. Die meisten Pferde werden zum Schlachter gebracht, weil sie alt oder krank sind. Manchmal geben die Besitzer auch eine finanzielle Notlage an. «Ein Pferd vor dem Schlachter zu bewahren, das aus finanziellen oder Altersgründen getötet werden soll, ist natürlich zu befürworten», sagt Tünte vom Tierschutzbund.
Anders ist es, wenn das Tier aus Krankheitsgründen geschlachtet werden soll. Dann kann es sein, dass der Pferdeliebhaber dem Tier mit der Rettung keinen Gefallen tut – weil es für den Vierbeiner besser wäre, von seinen Schmerzen erlöst zu werden.
Fotocredits: Sabine Maurer,Benjamin Nolte,Benjamin Nolte,Benjamin Nolte,Sabine Maurer,Benjamin Nolte
(dpa/tmn)
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